Achtsamkeit (englisch mindfulness) liegt heute absolut im Trend. Die positive Wirkung auf unsere körperliche und mentale Gesundheit ist wissenschaftlich belegt. Achtsamkeit steht dabei für einen entschleunigten Alltag, weniger Stress, mehr Lebensfreude, Wohlbefinden und Glück. Sie bildet dabei die Grundlage für deine Resilienz, also deine psychische Widerstandskraft. Tatsächlich nutze ich die Kraft dieser Technik bzw. „inneren Einstellung“ für mich seit meiner Jugend. Lange bevor ich das Wort ACHTSAMKEIT zum ersten Mal gehört habe. Es ist für mich ein Schlüssel geworden, um entspannt im Hier und Jetzt zu sein und Herausforderungen zu meistern.
Drehen wir dazu die Zeit kurz zurück. Herbst 1992, ich bin 13 Jahre alt.
Ich bin bei meiner neuen Logopädin. Wir sitzen uns gegenüber am Tisch, die Sonne scheint durchs Fenster, ich erzähle und sie hört mir aufmerksam zu. Warum bin ich hier?
Ich stottere. Schon immer seit ich denken kann. Ich stottere so stark, dass ich in der Schule nicht mal zum Lesen aufgerufen werde, weil es zu lange dauern würde bis ich einen Satz gelesen habe. Beim Bäcker getraue ich mich kaum zu bestellen weil die Menschen mich dann anstarren da kein gerader Satz meine Lippen verlässt. Meistens schiebe ich ein Zettel mit den Dinge, die ich möchte über den Tresen. So muss ich nichts sagen. Telefonieren ist schon lange nicht mehr meins. Ich vermeide, ans Telefon gehen zu müssen. Ich habe Angst kein Ton rauszubekommen sobald ich den Hörer in der Hand habe. Der Konfirmanden-Unterricht ist gestartet. Das bedeutet, ich muss am Ende in der Kirche vor allen Menschen meinen Spruch aufsagen. Beim Gedanken daran wird mir schwindelig und ich überlege mir sogar, mich abzumelden.
Stottern – wie fühlt es sich an?
Ich erinnere mich noch sehr gut an das Gefühl. Du weißt genau was du sagen willst, doch die Wörter finden den Weg nicht nach draußen. Du kannst keine Laute bilden. Es ist so als würde dir jemand einen Sandsack auf dein Brustkorb legen. Gleichzeitig kommt eine Hand, die deinen Kehlkopf festhält, während jemand heimlich Elektroden an deine Halsmuskeln angelegt hat und diese unter Spannung setzt. Dein Atmung stockt.
Als pubertierende 13-Jährige hatte ich nur einen Wunsch: Ich wollte so sein wie alle anderen. Einfach normal! Eindeutig war ich nicht normal. Und das machte mir richtig zu schaffen.
So kam es, dass ich eine neue Logopädin aufsuchte. Ich wollte daran arbeiten weniger zu stottern. Ich wollte einfach besser damit klar kommen. Die Aussicht auf „Heilung“ hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben.
So sitzen wir gemeinsam am Tisch. Woche um Woche. Wir reden, bzw. sie redet, ich stottere.
Achtsam sein heißt aufzuwachen.
Und genau das bin ich in dieser gemeinsamen Zeit. Aufgewacht!
Das Tückische beim Stottern ist nämlich:
- Je mehr Druck du dir selbst machst „normal“ zu sprechen, umso mehr stotterst du.
- Je mehr Druck dir andere machen durch ihr Verhalten oder was sie sagen, umso mehr stotterst du.
- Je mehr Druck die Umgebung und die Rahmenbedingen dir machen z.B. in der Kirche vor vielen Menschen sprechen, umso mehr stotterst du.
Auf der anderen Seite:
- Je entspannter du bist, umso weniger stotterst du.
- Je egaler dir ist, was die Leute von dir denken, umso weniger stotterst du.
- Je angenehmer die Atmosphäre ist, die dich umgibt, umso weniger stotterst du.
Und alles beginnt mit der ATMUNG!
Beim Stottern stockt gefühlt als erstes die Atmung bei dem Versuch die Worte rauszubekommen. Deswegen ist der Blick auf die Atmung als Stotterer eins der ersten Dinge die, die Logopäden dir auf den Weg geben.
Die Atmung ist bis heute mein Schlüssel, meinen Körper bewusst wahrzunehmen, ein Spiegel meiner Stimmungen und Gefühle und mein Anker, um mich in stressigen Situationen runterzuholen. Dein Atem hast du immer dabei. Es gibt nichts Kraftvolleres, dich ins Hier und Jetzt zu „katapultieren“, indem du schlicht auf deine Atmung achtest. Du kennst es, wenn du gestresst, wütend oder aufgeregt bist, dann hilft immer eins um runterzukommen: INNEHALTEN und TIEF DURCHATMEN!
Während der Sitzungen bei meiner Logopädin, erlebe ich alle Situationen meines Alltags – fiktiv und x-fach. Mal in Rollenspielen, mal durch einfaches Hineinversetzen in die Situation.
- Ich melde mich beim Lesen in der Schule.
- Ich bestelle beim Bäcker.
- Ich sage meinen Spruch in der Kirche.
- Ich spreche mit einem coolen Jungen an meiner Schule.
- Ich gehe ans Telefon.
Meine Grundhaltung: Ich achte auf den Moment. Ich bin im Hier und Jetzt. Ich beobachte die Situation, meinen Gegenüber und mich.
Wie fühle ich mich? Wie geht es mit mir? Warum empfinde ich beispielsweise Druck oder Ungeduld?
Wir unternehmen Phantasiereisen, damit ich innerlich ruhig und entspannt werde. Diesen „Anker“-Moment der Ruhe kann ich für mich festhalten und bei Bedarf jederzeit abrufen, um mich zu entspannen.
Ich konzentriere mich auf meine Atmung. Meine Gedanken galoppieren dadurch nicht „nach vorne“ à la „Mein Gegenüber denkt wahrscheinlich ich bin doof!“ oder „nach hinten“ à la „Du stotterst mit Sicherheit in dieser Situation. Davon hatten wir schon viele!„. Ich versuche jeder Situation und jeder Person wertungsfrei zu begegnen.
Dazu „bearbeiten“ wir meine WARUMs?
- Warum ist es mir so wichtig, was die anderen von mir denken?
- Warum will ich „normal“ sein?
- Warum habe ich Angst vor blöden Bemerkungen oder Reaktionen?
Das intensive Auseinandersetzten mit den konkreten Situationen, meiner Wahrnehmung und meiner Reaktion darauf, brachte mir einen RIESEN SHIFT in meinen damals jungen Leben.
Die Unterlagen von damals habe ich bis heute aufgehoben. Sie sind ein Schatz für mich. Sozusagen meine Basis oder der Anfang meiner Persönlichkeitsentwicklung. Bis heute helfen mir folgende Erkenntnisse dieser Zeit bei zahlreichen Herausforderungen oder in schweren Zeiten:
Die versteckte Krise zu einer offenen zu machen, ist unabdingbare Voraussetzung für die Möglichkeit, sie zu lösen.
In meinem Fall: Nimm das Stottern als Signal, als Hilfe für deine Probleme. Wenn es mir schlecht geht, stottere ich stärker. Wenn es mir gut geht, stottere ich weniger. Mein Ziel ist, dass es mir so oft wie möglich gut geht!
Bevor ich diese Erkenntnisse hatte, war mein Stottern für mich immer etwas, das ich wegdrücken wollte. Was ich nicht wahrhaben wollte. Es gibt ja dieses schöne Bild mit der Boje. Mein Stottern ist die Boje. Ich versuchte permanent die Boje unter Wasser zu drücken. Wenn es mir gut ging und ich stark war, klappte das ganz gut. Doch sobald die See rauer wurde oder ich unsicherer und geschwächt war, „poppte“ sie wieder hoch.
Während den zahlreichen Sitzungen mit meiner Logopädin haben wir regelrecht die Boje „gehoben“. Wir haben sie uns angeschaut und betrachtet wie sie beschaffen ist. Ich habe sie regelrecht erforscht und dann so angenommen wie sie ist. Die Akzeptanz bzw. Annahme ist der erste von sieben Punkten der Grundhaltung der Achtsamkeit. Diese zu entwickeln und zu verinnerlichen ist ein Prozess.
Die Grundhaltung der Achtsamkeit
- Annehmen, was da ist.
- Offen sein.
- Nicht urteilen. Bewertungsfrei sein.
- Nichts beabsichtigen. Einfach Da-Sein.
- Vertrauen.
- Geduld üben.
- Loslassen.
Und hier schließt sich jetzt der Kreis mit der Resilienz, also deiner physischen Widerstandskraft. Resilienz steht für deine Fähigkeit wie du mit Herausforderungen, Veränderungen und Schicksalsschlägen zurechtkommst. Achtsamkeit bildet deine Grundhaltung, um Resilienz aufbauen zu können. Ich habe bereits in meinem Blogartikel „Resilienz stärken: Kennst du deine Bedürfnisse?“ geschrieben wie wichtig es ist, achtsam zu sein, sich seiner selbst und seinen Bedürfnissen bewusst zu sein.
Auf dieser Basis, wenn du wahrnimmst und annimmst was ist, kannst du Verantwortung für dein Empfinden und deine Handlungen übernehmen. Du verlässt die Opferrolle und wirst Gestalter deines Lebens. Drei wichtige Aspekte bzw. drei Säulen der „Sieben Säulen der Resilienz“ bilden hierbei die Grundlage: Akzeptanz, Opferrolle verlassen und Verantwortung.
So endete am Ende auch meine „Stottererkarriere“. Mit meiner neugewonnen inneren Einstellung, wurde ich Gestalterin meines Lebens. Ich fasste den Mut und meldete mich an für ein High-School-Schuljahr in den USA. Mein Stottern im Englischen war besonders stark und ich hatte sehr großen Respekt vor dem neuen Umfeld. Doch ich wollte es unbedingt durchziehen! Ich lies mich durch mein Stottern nicht (mehr) aufhalten. Tue was dir gut tut und dich glücklich macht – das war mein neues Lebensmotto und ist es seitdem 🙂
Wunder gibt es immer wieder und so kam es, dass sich mein Stottern nach etwa vier Monaten in den USA zuerst im Englischen löste und als ich 10 Monaten später nach Hause kam, auch im Deutschen!
Doch ich bin mir sicher: Um diese „Heilung“ zu erlangen, musste ich erstmal AUFWACHEN.
Deswegen ist es mir auch eine Herzensmission, in all meinem Tun, in all meinen Coachings und Resilienztrainings, dich darin zu unterstützen aufzuwachen, deine „Bojen“ zu heben und hinzuschauen. Genau hierbei tritt dann die Achtsamkeit in dein Leben!
In diesem Sinne: Schließe kurz deine Augen. Atme tief und langsam ein und aus. Werde dir deiner Atmung bewusst. Hebe langsam die Arme ausgestreckt über die Seite bis über dein Kopf.
Führe die Handflächen zusammen und senke deine Arme in Gebetshaltung bis vor deine Brust.
Sage laut oder in Gedanken: DANKE! DANKE LEBEN! DANKE für…..
Und ich sage an dieser Stelle: DANKE! So schön, dass es dich gibt!!
Empower Yourself,
deine Birgit
PS: Kennst du deine „Bojen“, also deine Themen und Ängste, die dich im Leben blockieren? Spürst du, dass die Zeit reif ist (endlich) in deine Kraft zu kommen? Dann sind meine KRAFTPAKETE, genau das richtige für dich. Schau gerne HIER vorbei und melde dich zu einem unverbindlichen Erstgespräch an. Ich freue mich so sehr darauf, dich auf deinem Weg zu unterstützen!!